Page 46 - denkmalMAGAZIN | Ausgabe 2/2018
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denkmalNews
Denkmal in Not: die Reithalle in der
Neufertstraße | Michael Roeder
Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 entstand
gegenüber von Schloss Charlottenburg ein Arbeiterviertel und
darin eine Reithalle für das Offizierscorps des Garde-
Grenadier-Regiments (Entwurf: E. Gerhardt und F. W. Bastian,
1896/97). Die Halle selbst ist 25 x16 m groß, stützenfrei und
hat 6 m Wand- und 9,5 m Firsthöhe. Besondere Merkmale
sind das sichtbare Dachtragwerk aus Stahl und fünf Wand
hohe Segmentbogenfenster zur Straße hin. Nach Auflösung
des Regiments zog von 1923 bis 1932 eine Kirchengemeinde
in die Reithalle; sie hinterließ eine Wandmalerei mit Anker und
Fisch. Nach erneutem Umbau folgte von 1934-1968 ein Kino.
Seit 1970 nutzen Supermärkte die Halle. Beim Betreiber-
wechsel fand 2013 eine denkmalgerechte Sanierung statt, die
das ursprüngliche Erscheinungsbild wieder hervortreten ließ.
Seit 1993/4 steht die Reithalle unter Ensembleschutz. Nach-
dem ein Investor Anfang 2018 das Grundstück gekauft und
einen Bauantrag für ein Wohnhaus gestellt hat, ist ihr Fort-
bestehen gefährdet, denn das Bezirksamt meint den Antrag
baurechtlich nicht ablehnen zu können. Somit ist Bestands-
schutz nur noch möglich durch die Eintragung als Einzel-
denkmal. Voraussetzungen dafür ist ihre geschichtliche,
künstlerische und städtebauliche Bedeutung: Die Reithalle ist
eine der wenigen erhaltenen militärischen Bauten aus der
Kaiserzeit; Fassadengestaltung, Dachkonstruktion und Aus-
schmückungen aus der Zeit als Kirche geben ihr einen künst-
lerischen Wert; und schließlich nimmt die Halle als Bautyp
inmitten von Wohnhäusern und wegen ihrer jahrzehntelangen
öffentlichen Nutzung eine besondere Stellung im Stadtviertel
ein. Auf das beharrliche Drängen einiger engagierter Kiezbe-
wohner und Bezirkspolitiker hin hat das Landesdenkmalamt
am 3.7.2018 die Reithalle in die Denkmalliste aufgenommen.
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