Page 42 - denkmalMAGAZIN | Ausgabe 3/2019
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Bis 1995 führte Charlotte von Mahlsdorf selbst die Besucher
durch ihre Sammlung. 1992 wurde Charlotte von Mahlsdorf
für ihr Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausge-
zeichnet. Ein brutaler Überfall von Neonazis 1991 auf ein
Frühlingsfest im Gutspark Mahlsdorf und andere Gründe
veranlassten sie jedoch dazu ihre Heimat zu verlassen. 1995
wurde das Gründerzeitmuseum geschlossen. Im Frühjahr
1997 übersiedelte Charlotte nach Porla Brunn in Schweden
und eröffnete dort ein Jahrhundertwendemuseum. Sie starb
völlig unerwartet am 30. April 2002 bei einem Besuch in Berlin.
Zuvor hatte Charlotte von Mahlsdorf Teile ihrer Sammlung
an das Land Berlin verkauft. Der 1997 gegründete Förderver-
ein Gutshaus Mahlsdorf e.V. konnte damit im Juni des glei-
chen Jahr das Gründerzeitmuseum wieder eröffnen. Dem
Förderverein, nun Träger des Hauses, ist es auch gelungen,
die beiden Sammlungen wieder zusammenzuführen, das
Gutshaus denkmalgerecht sanieren zu lassen, und er hat eine
Neugestaltung der Räume vorgenommen. Darüber hinaus
bietet er Führungen an und sorgt für eine stetige Erweiterung
der Sammlung.
Heute ist Charlotte von Mahlsdorf mit ihrer Lebensgeschichte
weltberühmt. Rosa von Praunheim verfilmte 1992 ihre Biogra-
fie "Ich bin meine eigene Frau". Der amerikanische Autor Doug
Wright schrieb das Stück "I Am My Own Wife". 2003 fand die
umjubelte Premiere des Theaterstücks am Broadway statt,
gespielt wurde die Rolle vom Bühnenstar Jefferson Mays. Das
Renaissance-Theater in Berlin führte das Stück 2007 mit
Dominique Horwitz auf. Inzwischen wird das Theaterstück
seit über 15 Jahren in mehr als 35 Ländern aufgeführt und
setzt weltweit ein Zeichen für Toleranz. Charlotte von Mahls-
dorf hat nach dem Motto gelebt "Ich mach ja doch was ich
will", entgegen aller Widrigkeiten. Im letzten Jahr wäre sie 90
Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass wurde eine Straße in
ihrem Heimatort nach ihr benannt, sowie der Dokumentarfilm
"Sonntagskind" von Carmen Bärwald im Gründerzeitmuseum
uraufgeführt.
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