Page 46 - denkmalMAGAZIN | Ausgabe 4/2019
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denkmalNews
Stein des Anstoßes: der "Dorfaue-Stein" in der
Wilhelmsaue (Wilmersdorf)
von Michael Roeder
Harmlos klingt der Text der Gedenktafel, der das mitten im
Grünstreifen der Wilhelmsaue befindliche Denkmal kom-
mentiert: "Du befindest Dich hier auf der ehemaligen Dorfaue
im ältesten Teil unseres Bezirkes. Um 1750 gaben Bauern-
gehöfte, umschlossen von Feldern, Wiesen und Seen, Alt-
Wilmersdorf das Gepräge." Die Tafel wurde 1956 angebracht,
der Stein allerdings bereits 1933 errichtet, aus Anlass von
Leo Schlageters 10. Todestag: "Schlageter zum Gedächtnis,
26. Mai 1933, NSDAP".
Schlageters Lebenslauf: Krieg; Freikorps; Kapp-Putsch;
Gründungsmitglied Großdeutsche Arbeiterpartei für zeitweise
verbotene NSDAP; Widerstand gegen französische Besetzung
des Ruhrgebiets, Spionage, Sprengstoffanschläge; durch
Besatzungsmacht zum Tod verurteilt, hingerichtet.
Mit Machtantritt der NSDAP führte der Schlageter-Kult
reichsweit zu 100 Gedenkstätten und zahllosen Namens-
patenschaften. Die Propaganda machte ihn zum Helden und
stellte ihn zwecks Kriegsvorbereitung der HJ als leuchtendes
Vorbild hin: als "ersten Soldaten des Dritten Reiches", der sein
Leben für Deutschland opferte.
Anwohner bemühen sich nun um eine Informationstafel, die
den ursprünglichen Zweck des Steins benennt und darüber
aufklärt, was die jetzige Tafel verschleiert.
Die Gedenktafelkommission des Bezirks Charlottenburg-
Wilmersdorf hat diesem Anliegen jedoch einen langen Weg
beschieden. Wird die nachhaltige Unterstützung durch ange-
sehene Historiker wie Prof. Tuchel (Gedenkstätte Deutscher
Widerstand) und Prof. Nachama (Topographie des Terrors)
bei den Bezirkspolitikern Gehör finden?
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