Page 24 - denkmalMAGAZIN | Ausgabe 2/2018
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Westfassade (Foto: Thomas Rosenthal)
Jede Wohnung hat einen Blick ins Grüne und ist so ausgerich-
tet, dass die Nachbarn keinen Einblick haben. Leitbild der
Gestaltung ist die "Charta von Athen", für die Le Corbusier
schon in den frühen 1930er Jahren federführend war und die
er 1943 unter deutscher Besetzung in Frankreich neu veröf-
fentlicht hatte. Die Planung für die Internationale Bauausstel-
lung 1957 orientierte sich stark am Vorbild der ersten "Cité
radieuse" in Marseille, die schon 1948 vom französischen
Staat als öffentlich finanzierter Modellbau des Neuen Woh-
nens errichtet wurde. Die Aufgabenstellung in Berlin war
ähnlich; im Hinblick auf die Schaffung möglichst vieler Woh-
nungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus wurde die
in Marseille durchgehend realisierte Standardzimmeranzahl
von drei Wohnräumen nur auf zwei von zehn "Straßen" um-
gesetzt, im Rest des Hauses entstanden Zwei- und Einzim-
merapartments, die dann jeweils nach Osten oder Westen
ausgerichtet sind. An der südlichen Seite des Baukörpers ist
das Wohnungsmodul schmaler und mit größerer Raumtiefe
ausgeführt, die "durchgesteckte" lange Bauform gibt es hier
nicht. An der nördlichen Seite gibt es einen Gebäudeabschluss
ohne Wohnungen und Balkone. Von Kontroversen begleitet
war die von den Berliner Behörden verlangte Mindestraum-
höhe von 2,51 Metern; der "Modulor" Le Corbusiers, der
eigentlich 2,26 Meter vorsieht, konnte daher nicht zur Anwen-
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