Die schwarzen Jahre - Bürger für Denkmale

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Die schwarzen Jahre | D. Scholz / M. Obenaus

Die schwarzen Jahre. Geschichte einer Sammlung 1933-1945. Für die Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, hrsg. v. Dieter Scholz und Maria Obenaus, (Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin)
Verbrecher Verlag, Berlin 2015
ISBN: 9783957321503, 25 €
Mit dieser Publikation der Nationalgalerie nimmt man den Katalog einer Ausstellung zur Hand, die sich an drei vorangegangene Ausstellungen zur Kunst des 20. Jahrhunderts anschließt. Wie die "schwarzen Jahre" bereits im Titel vergegenwärtigen, handelt es sich um die Zeit von 1933 bis 1945, in der die Nationalsozialisten mit ihrer Ideologie über die in der Weimarer Republik geschaffenen progressiven  Kunstwerke wie die Berserker hergefallen sind und somit auch über die Sammlungsbestände der Nationalgalerie. Der Architekt Erich Mendelsohn, der nach der "Machtergreifung" 1933 sofort emigrierte, hat wohl die treffsicherste Kennzeichnung der unweigerlich eintretenden politischen Verhältnisse und den Ausschluss der Juden aus der menschlichen Gemeinschaft formuliert, was die nationalsozialistisch gelenkte Presse sofort nach dem 30. Januar unter der Überschrift Die Juden in den staatlichen Bildergalerien ungeschminkt unterlegte, so dokumentiert unter dem 20. März in der dem Katalog vorangestellten Chronik. Diese "Chronologie" erweist sich damit als unverzichtbare Einleitung in den unseligen Geist der Zeit. In etwa 180 Einzelbetrachtungen haben anschließend die insgesamt neun Wissenschaftler in sechs Kapiteln je ein Gemälde oder eine Plastik mit dem Lebensbild des Künstlers zum Zeitpunkt der Entstehung des Werkes zur Anschauung gebracht, nicht als übliche Beschreibung eines Kunstwerkes, sondern als Analyse des Werks in der Verflechtung seines Schöpfers mit dem "Geist" der Zeit. Die Veröffentlichung erweist sich damit als eine treffsichere Handreichung für den Ausstellungs- und Museumsbesucher, dem das Kunstwerk eben nicht "an sich" als nur ästhetisches Phänomen, sondern als Zeitdokument erläutert wird. Bei diesem Ansatz wäre aufschlussreich, wie sich die Arbeiten wohl vorrangig der Bildhauer auch außerhalb des Museums im Stadtbild gezeigt haben bzw. noch zeigen und damit eine Verknüpfung von Museum und Stadt bewirken. So mag auf den Zehnkämpfer Georg Kolbes in der Treppenhalle des Hauses des Deutschen Sports auf dem Olympiagelände im Einklang mit deren Architektur verwiesen werden (umgekehrt musste die Plastik Kolbes im Lichthof des Rundfunkhauses an der Masurenallee einem nationalsozialistischen Machwerk weichen – die Plastik Kolbes steht jetzt wieder an ihrem originalen Standort) oder auf das mächtige Relief Rudolf Bellings am ehemaligen Dorotheen-Lyzeum (jetzt Alexander von Humboldt-Schule) in Köpenick, das nicht nur als Zeitdokument der  Neuen Sachlichkeit die Überwindung des Expressionismus belegt, sondern auch die stilistische Einbindung in die Entwurfshandschrift Max Tauts veranschaulicht. Begleitet werden solche erhalten gebliebenen Beispiele umgekehrt auch mit der Vernichtung von Reliefs an Bauten der frühen dreißiger Jahre nach 1945 als Folge einer neuen Doktrin – die Reliefs von Josef Thorak am Neubau der Reichsbank in Ost wie die Reliefs von Arno Breker am Gebäude der Nordstern-Versicherung am Fehrbelliner Platz in West. Will heißen: der Katalog sollte auch Begleiter für Mitstreiter sein, die sich um den historischen Gebäudebestand der Stadt kümmern.

Prof. Helmut Engel

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