Förderverein Stralauer Dorfkirche e.V.
Stralauer Dorfkirche - Kirchenschiff mit Altaraufsatz 2019 (Foto: Förderverein Stralauer Dorfkirche e.V.)
Tunnelstr. 5–11, 10245 Berlin
Seit 1992 trägt der Förderverein dazu bei, die schöne Stralauer Dorfkirche zu erhalten, zu pflegen und mit Leben zu füllen. Der Feld- und Backsteinbau steht in reizvoller Umgebung auf einem auf einer Landzunge zwischen Spree und Rummelsburger See gelegenen, bereits 1412 nachgewiesenen Friedhof nahe der Seepromenade. Die Kirche wurde am 24. August 1464 eingeweiht und ist damit das älteste Gebäude im Ortsteil Friedrichshain. Sie hat anfangs gerade mal elf Fischerfamilien als Gotteshaus gedient.
Wenn auch im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut und erneuert, ist die kleine Kirche mit dem einschiffigen Langhaus mit drei kreuzförmig gewölbten Jochen und einem fünfseitigen Chor in der mittelalterlichen Grundgestalt erhalten. Der Kirchturm dagegen, bis zum Gesims aus Stein errichtet und mit einem hölzernen Aufbau versehen, musste, mehrfach von Sturm und Blitzeinschlägen getroffen, komplett erneuert werden. Ihm hat der Architekt Friedrich Wilhelm Langerhans 1823/24 die Form eines wuchtigen, weithin sichtbaren neugotischen Glockenturms gegeben, der im Übrigen schiefer ist als der von Pisa.
Die besondere Lage der Kirche hatte auch im Innenraum Veränderungen zur Folge. So musste man 1830–32 den Boden zum Schutz vor Hochwasser aufschütten. Diese Maßnahme ist in den 1930er-Jahren korrigiert worden. 1895 erhielt die Kirche eine neugotische Vorhalle aus Backstein, die für Trauerzwecke genutzt wurde.
1932 musste man die Kirche gar wegen Baufälligkeit schließen. Bei der drei Jahre später in Angriff genommenen Sanierung wurde der Kirchturm massiv neu aufgebaut. Auch konnte man die Trauerhalle entfernen, weil seit 1912 nur wenige Meter von der Kirche entfernt längst eine eigene Trauerkapelle errichtet worden war. Es wurde ein Vorbau vor dem Turm errichtet, denn der Eingang zum Kirchenschiff war jetzt nach Westen durch den Turm verlegt. Vor dem ehemaligen Südeingang entstand ein Anbau mit einer Sakristei und einem Heizungskeller.
Schwere Schäden erlitt die Kirche auch beim Bombenangriff am 26. Februar 1945. Doch die Wiedereinweihung des beliebten Bauwerks erfolgte bereits am 4. Advent 1949.
Zu den Besonderheiten der Kirche gehören im wohlproportionierten Kirchenschiff mittelalterlich Kragsteine, die symbolisch der Abstützung der Birnenstabrippen des Gewölbes dienen. Sie sind mit originellen figürlichen Darstellungen ausgestattet. Darunter an der Westseite ein bärtiger Mann und eine Figur mit Ohrenklappe, an der Ostseite eine Frau mit Haube und ein Bischof mit Mütze aus der Entstehungszeit. Die sechs im Krieg zerstörten Kragsteine hat 1962 der Bildhauer Waldemar Grzimek entworfen. Sie wurden in der Keramikwerkstatt von Hedwig Bollhagen gebrannt.
Mittlerweile einzigartig in der Reihe der Berliner Kirchen sind zwei Fenster, auf denen Reste spätgotischer Glasmalereien erhalten sind. Das eine zeigt die Geißelung Christi und ist um 1460 entstanden. Auf dem linken, um 1510 entstandenen Fenster ist der Heilige Georg im Kampf mit dem Drachen zu sehen. Es wurde nach einer partiellen Zerstörung mit neugotischer Graumalerei ergänzt.
Zur Ausstattung der Kirche gehört seit 1962 auch ein spätgotisches Altarretabel. Die Flügel haben früher den Peter- und Paul- Altar im Brandenburger Dom geschmückt. Der vermutlich etwas später entstandene Schrein stammt aus der Dorfkirche in Massen bei Finsterwalde und zeigt die Figuren der Heiligen Katharina und der Heiligen Ursula zuseiten der Madonna.
Die Kanzel, jetzt in der Ausstellung im Vorbau, deren Korb in der Form des Taufsteins gehalten ist und jetzt zu den im Vorbau präsentierten Ausstellungsexponaten gehört, wurde 1936-39 nach einem Entwurf von Felix Wilde errichtet.
Der pokalförmige Taufstein ist wahrscheinlich älter als die Kirche selbst und stand möglicherweise bereits in einem hölzernen Vorgängerbau.
Das Chorgestühl stammt aus dem Anfang des 18.Jahrhunderts. Fünfzehn an der Wand applizierte Brüstungsfelder enthalten Namen Stralauer Einwohner und andere Inschriften.
Auch die Orgel wurde verschiedentlich ersetzt. Das heutige, 18 Register umfassende Instrument hat der renommierte Potsdamer Orgelbauer Alexander Schuke in den Turm eingebaut und dabei Teile des älteren Pfeifenmaterials verwendet. Spieltisch und Elektrik wurden erneuert und im Turm das Gebläse zum Schutz vor dem Eindringen von Feuchtigkeit und großen Temperaturschwankungen eingehaust.
Nicht nur bei dieser Maßnahme hat der Förderverein durch ein Einwerben von Spenden geholfen. Er war auch maßgeblich an den Planungen und der Durchführung der letzten denkmalgerechten Sanierung (2012-2014) beteiligt. In diesem Zusammenhang ist ein behindertengerechter Eingang ins Kirchenschiff geschaffen worden.
Der Initiative des Fördervereins ist darüber hinaus eine kleine Ausstellung über die „Geschichtslandschaft Stralau“ zu verdanken, die im Vorraum der Kirche präsentiert wird. Er hat überdies zusammen mit dem Museum Friedrichshain-Kreuzberg für die Installation eines Geschichtspfades über die Halbinsel gesorgt. Beides wurde mit Mitteln der Lottostiftung Berlin realisiert.
Der Förderverein hat eine Reihe von Publikationen über die Stralauer Kirche und den Stralauer Fischzug publiziert. Er hält die Kirche in den Sommermonaten jeweils sonntags zwischen 12 und 16 Uhr für Besucher offen und lädt am Tag des offenen Denkmals zur Besichtigung der Kirche und zu Führungen über die Stralauer Halbinsel ein. Jeden vierten Sonntag im Monat finden überdies Konzerte in der Kirche statt.
Mittlerweile haben die engagierten Heimatforscher des Förderkreises eine Menge historischer Fotos, Pläne und Dokumente zusammengetragen. Sie planen die Einrichtung eines Archivs in der Friedhofskapelle, sollte diese ihrer Funktion als Trauerkapelle entledigt in den kommenden Jahren zum Friedhofscafé umgeformt werden. Dann könnten sich die alteingesessenen Stralauer und die in die schicken Townhouses in der unmittelbaren Umgebung Zugezogenen mit ihrer Kirche und dem neuen Kapellentreff eines unvergleichlich identitätsstiftenden Ortskerns erfreuen.
Dr.-Ing. Uwe Nübel
Kirchturm
Innenansicht 1990
Fenster mit einer Darstellung der Geißelung Christi
Taufschale (Fotos: Förderverein Stralauer Dorfkirche e.V.)